Kleine Arzt- und Zahnarztpraxen stehen in Deutschland zunehmend vor einer personellen Herausforderung.
Großkliniken agieren mit eigenen Personalabteilungen, Imagekampagnen und großen finanziellen Spielräumen. Kleinen Einrichtungen fehlen dafür meist die Kapazitäten. Dennoch müssen sie im Wettbewerb um Fachkräfte sichtbar und attraktiv bleiben.
Fachkräfte gewinnen: Profil als Arbeitgeber schärfen
Der Fachkräftemangel ist vor allem im ambulanten Bereich spürbar. Laut Bundesärztekammer betrifft er insbesondere medizinische Assistenzberufe wie MFA oder ZFA. Diese Stellen sind in vielen Regionen nur noch schwer zu besetzen.
Gleichzeitig wächst allerdings der Bedarf: Der demografische Wandel erhöht die Nachfrage nach medizinischer Versorgung, die Zahl der Praxisgründungen nimmt ab und viele bestehende Praxen stehen vor altersbedingten Übergaben.
Umso wichtiger ist es, das eigene Profil als Arbeitgeber:in zu schärfen − auch wenn dafür keine große Budgets vorhanden sind
Arbeitgeberattraktivität beginnt im Alltag
Eine moderne Arbeitgebermarke entsteht nicht im Bewerbungsgespräch − sie entsteht in der täglichen Arbeit.
Aspekte wie Wertschätzung, Teamklima, geregelte Abläufe und eine transparente Kommunikation wirken sich direkt auf die Bindung der Beschäftigten aus. Entsprechende Studien zeigen: Fast 85 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen fühlen sich nur schwach oder gar nicht emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Dieses Ergebnis weist auf ein strukturelles Problem hin, das auch vor Arzt- oder Zahnarztpraxen keinen Halt macht.
Gleichzeitig liegt darin eine Chance. Kleinere Betriebe punkten beispielsweise mit ihren flachen Hierarchien, dem persönlichen Umgang und kurzen Entscheidungswegen. Wenn Mitarbeitende mitdenken dürfen, die Verantwortungsbereiche klar geregelt sind und Fehler konstruktiv besprochen werden, entsteht ein Arbeitsumfeld, das Vertrauen fördert. Damit wird langfristig wiederum die personelle Fluktuation verringert.
Aufgabenvielfalt und Entwicklungsmöglichkeiten sichtbar machen
Viele Menschen außerhalb der Branche unterschätzen, wie vielfältig und anspruchsvoll sich die Tätigkeiten im medizinischen Praxisalltag gestalten.
In Zahnarztpraxen reicht das Spektrum zum Beispiel von der Behandlungsassistenz über die Prophylaxe bis hin zur Abrechnung und dem Hygienemanagement. Die Tätigkeiten der ZFA zeigen exemplarisch, dass sich in kleinen Teams viele komplexe Aufgaben finden und diese oft mit einer hohen Eigenverantwortung einhergehen.
Wer als Arbeitgeber sichtbar macht, dass die Mitarbeitenden mehr als Routineaufgaben übernehmen, spricht damit neue Zielgruppen an − unter anderem junge Bewerber:innen, die Sinn, Entwicklung und Abwechslung suchen.
Dafür braucht es keine eigene Marketingabteilung. Ein einfacher Blick hinter die Kulissen auf der Website oder Gespräche mit dem Team bei Ausbildungsmessen genügt in der Regel, um authentische Einblicke zu ermöglichen. Auch in Bewerbergesprächen ist es hilfreich, das Spektrum der Aufgaben und die möglichen Entwicklungspfade konkret zu benennen.
Online-Präsenz strategisch statt wahllos nutzen
Ein professioneller Außenauftritt beginnt auch heute nicht bei Social Media. Davor ist erst einmal eine Grundlage zu schaffen.
Eine gepflegte Website mit allen wichtigen Informationen zu Team, den Werten der Praxis, der Arbeitszeitmodelle und den Weiterbildungsmöglichkeiten ist essentiell, auch für bereits etablierten Praxen. Ergänzend dazu lohnt es sich, auf den relevanten Plattformen präsent zu sein. Im Übrigen bietet auch die Bundesagentur für Arbeit − ebenso wie medizinische Fachportale − kostenfreie Möglichkeiten zur Veröffentlichung von Stellenanzeigen an.
Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegen, dass insbesondere jüngere Fachkräfte bei ihrer Jobwahl einen großen Wert auf die Unternehmenskultur und flexible Arbeitsbedingungen legen.
Bewertungsplattformen wie kununu oder Google spielen in diesem Kontext eine zunehmende Rolle. Praxen, die ihr Profil dort aktiv pflegen, können gezielt Vorurteile abbauen und wichtiges Vertrauen aufbauen − auch ohne aufwendige Werbekampagnen.
Weiterbildung als Grundlage für Mitarbeiterbindung
Mitarbeitende bleiben dort, wo sie Entwicklungschancen für sich sehen. Gerade in kleineren Betrieben mit einem überschaubaren Personalstamm ist es möglich, die Qualifizierungen individuell abzustimmen, zum Beispiel in den Bereichen digitale Dokumentation, Datenschutz, Kommunikation oder Praxismanagement.
Laut Untersuchungen stärkt eine gezielte Weiterbildung neben der fachlichen Qualität, auch direkt die Mitarbeiterbindung. Dies gilt auch für Teilqualifikationen, Inhouse-Schulungen oder bezahlte Fortbildungstage.
Wer als Arbeitgeber die persönliche Entwicklung unterstützt, sendet ein starkes Signal der Wertschätzung.
Klarheit und Authentizität schlagen oberflächliche Versprechen
Eine erfolgreiche Arbeitgebermarke muss nicht laut oder perfekt inszeniert sein. Entscheidend ist, dass der betriebliche Alltag mit den vermittelten Werten übereinstimmt. Aussagen wie „Wir sind ein Team“ sollten sich im täglichen Umgang miteinander wiederfinden, unter anderem in Form einer transparenten Kommunikation, fairer Dienstplanung und klaren Zuständigkeiten.
Glaubwürdigkeit entsteht vor allem durch Konsistenz. Ärzte, die flexible Arbeitszeitmodelle versprechen, sollten auch entsprechende Spielräume bei Arbeitsbeginn, Urlaubsplanung oder Teilzeit ermöglichen – zumindest soweit es der Praxisbetrieb zulässt. Ebenso wichtig: Fehlerkultur und Feedbackmechanismen offen kommunizieren und leben.