Arbeitsmarkt

Betreuungskraft nach § 43b, 53b SGB XI: Was Unternehmen wissen müssen

Deutschlands konsequent älterwerdende Gesellschaft stellt nicht nur die umlagefinanzierten Sozialsysteme der Bundesrepublik vor signifikante Herausforderungen, auch der Personalbedarf in Pflegeeinrichtungen steigt kontinuierlich an. Die Politik reagierte bereits im Jahr 2017 mit der Einführung des erweiterten § 43b SGB XI: Er ermöglicht die Finanzierung zusätzlicher Betreuungskräfte in Pflegeeinrichtungen, um die Lebensqualität von Pflegebedürftigen zu steigern. Die fachliche Grundlage für die Qualifizierung dieser Betreuungskräfte regelt der ergänzende § 53b SGB XI, der verbindliche Anforderungen an Ausbildung, Eignung und Einsatz dieser zusätzlichen Betreuungskräfte formuliert. So soll der Mensch im Seniorenalter weiter im Fokus stehen, während die Wachstumsbranchen Seniorenbetreuung und der Pflegesektor in Zeiten einer sich rapide verändernden Welt und Gesellschaft ein hohes Maß an Arbeitsplatzsicherheit für qualifizierte Erwerbstätige bieten. 

Betreuungskräfte im Pflegesystem – Einordnung und Bedeutung

Immer mehr Menschen in Deutschland sind schon heute im hochbetagten Alter oder werden es im kommenden Jahrzehnt sein: Bereits im Jahr 2035 ist jeder vierte Deutsche über 67 Jahre alt – die Bundesrepublik wird dann unter anderem gemeinsam mit Japan und Italien zu den ältesten Bevölkerungen der Welt gehören. 

Bereits in den letzten zwei Jahrzehnten kippte die Alterspyramide spürbar: Mit der alternden Bevölkerung stieg auch die Zahl der pflegebedürftigen Menschen deutlich an. Gab es im Jahr 1999 noch rund 2 Millionen Pflegebedürftige, waren es 20 Jahre später bereits 4,13 Millionen. Aktuell wird bis zum Jahr 2035 von einem Anstieg um weitere 40 % ausgegangen.  Der demografische Wandel allein erklärt diesen Trend nicht – vielmehr ist die steigende Zahl älterer Menschen, insbesondere der über 80-Jährigen, ein zentraler Treiber für den wachsenden Pflegebedarf. 

Aus Deutschlands überalterter Gesellschaft resultieren folgende Herausforderungen: 

  • Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Rentenbezieher finanzieren.  
  • Gesundheits- und Pflegekosten steigen enorm an – und damit auch Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung.  
  • Pflegeeinrichtungen benötigen dringend neues qualifiziertes Personal, anderenfalls steigt die Lücke der Deckung zwischen Patienten pro Pflegekraft weiter an.  
  • Betreuungskräfte sollten gezielt eingesetzt werden, um Pflegefachkräfte zu entlasten und zugleich die Lebensqualität von Senioren in Einrichtungen zu steigern.  

Eine Betreuungskraft nach § 43b, 53b SGB XI hilft , die Lücke, die Jahr für Jahr größer wird, zu schließen. Sie sind natürlich nicht als Pflegekräfte, sondern vielmehr als personelle Ergänzung in der Betreuung zu verstehen: Eine Betreuungskraft gestaltet den Tagesablauf für pflegebedürftige Menschen abwechslungsreich, veranstaltet Einzel- oder Gruppenaktivitäten und übernimmt weitere niedrigschwellige, für Betroffene aber emotional, kognitiv und sozial vorteilhafte Aufgaben. 

Das führt zu zwei sich ergänzenden Mehrwerten: Pflegefachkräfte haben mehr Zeit, sich auf ihre medizinischen und pflegerischen Kerntätigkeiten zu konzentrieren und Pflegebedürftige Menschen profitieren von der individuellen Zuwendung und weiterer zwischenmenschlicher Teilhabe. Im ambulanten Sektor kann ein Seniorenbetreuer nach § 43b, 53b SGB XI Senioren zudem dabei helfen, noch für möglichst lange Zeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen. 

Pflegeeinrichtungen, die Seniorenbetreuer beschäftigen, erhalten ebenfalls Vorteile: In Form von besseren Prüfergebnissen, zufriedeneren Patienten und Angehörigen dieser. 

43b SGB XI im Überblick – Inhalte und Zielsetzung

Pflegebetreuung inhalt

Der § 43b SGB XI ist Bestandteil vom Pflegestärkungsgesetz III, das im Jahr 2017 eingeführt wurde. Gleichzeitig löste die neue Regelung die bis dato geltenden § 87b sowie § 45c SGB XI ab. 

Was bedeutet der § 43b SGB XI damit für Unternehmen, die Gesellschaft und künftige Seniorenbetreuer? 

  1. Die Pflegekassen beteiligen sich finanziell zusätzlich zum bereits eingesetzten pflegerischen Personal in stationären Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen. 
  1. Das übergeordnete Ziel ist nicht die medizinische Pflege, sondern die menschliche Arbeit: In Form von Alltagsgestaltung, Förderung der kognitiven Fähigkeiten und Beziehungsarbeit. 

Das Modell erhielt durch die „Betreuungskräfte-Richtlinie“ im Jahr 2023 eine weitere Anpassung. Dort sind alle Rahmenbedingungen der Ausbildung und Qualifikation, Anforderungen, Fortbildungen und persönlichen Voraussetzungen geregelt. Die erweiterte Anpassung sieht zudem eine gezieltere Betreuung von Menschen mit besonderem Bedarf, zum Beispiel bei Demenz, vor. 

Der Kerngedanke des Gesetzes stützt sich auf eine zentrale Erkenntnis: Pflegebedürftige sollen nicht „nur“ medizinisch und pflegerisch, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene optimal versorgt werden – um abseits der medizinischen Versorgung weiterhin einen abwechslungsreichen Alltag mit gestiegener Lebensqualität zu gewährleisten. 

Grundlegend gelten für Betreuungskräfte nach § 43b, 53b SGB XI die folgenden Voraussetzungen: 

Die Qualifizierung zur Betreuungskraft ist bundesweit einheitlich geregelt. Grundlage bildet die „Richtlinie über die Qualifikation und den Einsatz von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen“ gemäß § 53b SGB XI (früher § 87b). 

Folgende Voraussetzungen sind zwingend zu erfüllen: 

  • Betreuungskräfte müssen eine persönliche Eignung mitbringen und mindestens 18 Jahre alt sein.  
  • Es dürfen keine Vorstrafen, Suchterkrankungen oder medizinisch schwere Erkrankungen vorliegen.  
  • Empathie, Kommunikationsfähigkeit und psychische Stabilität sind notwendig.  
  • Nachweis eines Orientierungspraktikums über 40 Stunden in einer Einrichtung Ihrer Wahl 

Die Ausbildung zur Betreuungskraft gliedert sich in zwei Hauptabschnitte: 

  1. Basiskurs mit mindestens 160 Stunden Theorie 

Dient zur Einführung in die Rolle der Betreuungskraft und umfasst allgemeine Lerninhalte zu Alter, Krankheit, altersbedingten Erkrankungen wie Demenz, ethische Grundsätze sowie rechtliche Aspekte. 

Ergänzend dazu werden Themenaspekte wie der Umgang mit Krisensituationen, die Zusammenarbeit mit dem medizinischen Pflegeteam und die Entwicklung sowie Durchführung von Betreuungsangeboten behandelt. 

  1. Betreuungspraktikum über 80 Stunden Praxisarbeit 

Umfasst die praktische Arbeit in stationären oder ambulanten Pflegeeinrichtungen und wird konsequent überwacht sowie dokumentiert. Bis zum Abschluss der Qualifikation sind ein Erste Hilfe- oder „Lebensrettende Sofortmaßnahmen“-Kurs nachzuweisen. 

Fernlehrgänge, wie sie unter anderem das Bildungswerk für therapeutische Berufe (BTB) anbietet, können mit flexiblem Ausbildungsbeginn jederzeit begonnen und – auch berufsbegleitend – innerhalb einer achtmonatigen Regelstudienzeit absolviert werden. 

Die Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung bleibt unabhängig davon bestehen und sieht einen jährlichen Umfang von wenigstens 16 Stunden vor. Von Unternehmen sind diese Fortbildungen einzuplanen, zu ermöglichen und zu dokumentieren. 

Verpflichtungen für Unternehmen und Träger 

verpflichtung für unternehmen

Arbeitgeber müssen fortlaufend die Eignung der Betreuungsfachkräfte sicherstellen. Dies beginnt mit einer Vorabauswahl für den Beruf geeigneter Personen, geht über die fortlaufende Anleitung durch qualifiziertes Personal in der Praxis und mündet in der eben bereits dargelegten Pflicht für Fortbildungsangebote. 

Es muss ein Nachweis erfolgen, dass die Betreuungsfachkraft nach § 43b, 53b SGB XI qualifiziert ist, zum Beispiel durch einen erlangten Abschluss der Ausbildung beim BTB. An diesen Nachweis ist zugleich die Finanzierung über den § 43 gekoppelt. Bereits vor dem ersten regulären Arbeitstag muss die Qualifikation mitsamt Abschluss vorliegen. 

Der Medizinische Dienst (MD) agiert dabei als Kontrollinstanz: Er stellt während der Regelprüfungen sicher, dass Seniorenbetreuer korrekt nach Vorgaben und mit vorliegendem Abschluss eingesetzt werden. 

Weiterbildungsmöglichkeiten – Wege zur Qualifikation 

Fernlehrgänge beim BTB kombinieren Theorie und Praxis, was einen berufsbegleitend erlangten Abschluss ermöglicht. Durch digital angebotene Lerneinheiten, einen flexiblen Ausbildungsbeginn und KI-gestützte Lernpartner kommen derartige Fernlehrgänge auch für Quereinsteiger oder im Zuge einer gezielten internen Ausbildung in Frage. 

Unternehmen profitieren davon ebenfalls: Die strategische Personalentwicklung stärkt die Mitarbeiterbindung und verbessert die Außenwirkung, ebenso wie die Zufriedenheit von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Medizinisch ausgebildete Pflegefachkräfte werden durch die Seniorenbetreuer gezielt entlastet, Aufgaben können intern effizienter – je nach Eignung – vergeben werden.  

Perspektiven und Handlungsempfehlungen für Unternehmen 

Nur selten ist die Zukunft verlässlich planbar: Mit Hinblick auf Deutschlands Alterspyramide, den steigenden Anteil von Senioren in der Gesellschaft und den gestiegenen Personalbedarf in Pflegeeinrichtungen ist sie das hingegen schon. Es liegt bereits heute an den Unternehmen der Branche, verlässlich für das Morgen zu planen – durch Weiterbildungsangebote und eine attraktive Positionierung als Arbeitgeber. 

Zur Finanzierung der Betreuungskraft-Ausbildung können z. B. Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit oder andere Förderungen herangezogen werden, was die tatsächlich entstandenen Kosten geringhält.  

Eine qualifizierte und lebensqualitätserhaltende Betreuung sollte frühzeitig in die Unternehmens- und Personalstrategie integriert werden, auch Überschneidungen zum Qualitätsmanagement können Einrichtungen für sich nutzen – zumal dort (speziell im Hinblick auf MDK-Bewertungen) Aspekte wie psychosoziale Begleitung und Alltagsgestaltung mittlerweile eine größere Rolle spielen – genau der Bereich, in dem die Arbeit der Betreuungskräfte ansetzt. 

Fazit: Ganzheitlich Lebensqualität steigern und Pflegefachkräfte vor Ort entlasten 

In Anbetracht der stark alternden Gesellschaft müssen ganzheitliche Veränderungen stattfinden, die medizinische Pflegefachkräfte nicht allein bewältigen können. Betreuungskräfte bilden in der Praxis eine sinnvolle Ergänzung und Schnittstelle. Ihre Aufgabe, die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen spürbar zu verbessern, entlastet einerseits das Pflegepersonal und kommt andererseits natürlich den zu pflegenden Menschen zu Gute. 

Für Unternehmen der Branche schafft das ebenfalls Vorteile: Dank des klaren gesetzlichen Rahmens erhalten sie finanzielle Unterstützung während der Ausbildungs- und auch späteren Erwerbstätigkeitsphase (z. B. durch die Bildungsgutscheine der Arbeitsagenturen sowie die monatlichen Beträge der Pflegekassen für niederschwellige Betreuungsleistungen). So wird ihre Attraktivität als Arbeitgeber ebenso wie ihre Positionierung gegenüber Pflegebedürftigen und deren Angehörigen gesteigert. Ebenso steigen für Erwerbstätige die Chancen für den Beruf der Betreuungskraft – in einem Wachstumsmarkt, in dem künftig stetig mehr Personal benötigt wird. 

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