Viele Unternehmen stehen vor einer gemeinsamen Hürde: Wie lassen sich langfristige Visionen in konkrete, alltägliche Handlungen übersetzen? Oft versanden große Jahresziele im Dickicht des operativen Geschäfts oder verschiedene Abteilungen arbeiten aneinander vorbei. Eine Methode, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, um genau dieses Problem zu lösen, ist OKR, eine Abkürzung für Objectives and Key Results. Ursprünglich bei Intel entwickelt und durch den Erfolg bei Google populär geworden, hat sich das System als wirksames Instrument zur Unternehmenssteuerung etabliert. Es schafft einen Rahmen, der Strategie und operatives Handeln miteinander verknüpft und dabei auf Transparenz und Agilität setzt. Der Ansatz ist dabei mehr als eine reine Managementtechnik; er kann die gesamte Kultur einer Organisation verändern, wenn man ihn konsequent anwendet.
Was steckt hinter den drei Buchstaben?
Das Gerüst von OKR ist auf den ersten Blick einfach und besteht aus zwei zentralen Elementen. Zuerst kommen die Objectives, also die Ziele. Ein Objective beschreibt, was erreicht werden soll. Es ist qualitativ, ambitioniert und inspirierend formuliert. Ein gutes Objective gibt eine klare Richtung vor und motiviert die Mitarbeiter. Es ist die Antwort auf die Frage: „Wo wollen wir hin?“ Es könnte beispielsweise lauten: „Das Kundenerlebnis unserer Online-Plattform revolutionieren.“ Eine solche Formulierung ist bewusst nicht direkt messbar, sondern dient als Leuchtturm für das kommende Quartal.
Ihm zur Seite stehen die Key Results, die Schlüsselergebnisse. Sie beantworten die Frage: „Woran erkennen wir, dass wir das Ziel erreicht haben?“ Pro Objective werden in der Regel zwei bis fünf Key Results definiert. Diese sind immer quantitativ, messbar und ergebnisorientiert. Sie machen den Erfolg objektiv nachvollziehbar. Für das genannte Objective könnten die Key Results lauten: „Die Ladezeit der Startseite von drei auf eine Sekunde reduzieren“, „Die Bewertung im App-Store von 4,2 auf 4,7 Sterne steigern“ oder „Die Anzahl der Support-Anfragen pro Nutzer um 20 Prozent senken.“ Durch diese konkreten Messpunkte wird der Fortschritt sichtbar und das abstrakte Ziel greifbar. Zum besseren Verständnis findet man hier über 120 OKR Beispiele.
Vom Jahresplan zum agilen Sprint
Der entscheidende Unterschied zu klassischen Zielvereinbarungen liegt im Prozess. OKRs werden nicht einmal im Jahr festgelegt und dann abgeheftet. Stattdessen arbeitet man in kurzen Zyklen, meistens quartalsweise. Zu Beginn eines jeden Quartals werden die OKRs für die gesamte Organisation definiert. Die Unternehmensleitung gibt dabei die übergeordneten, strategischen Ziele vor. Basierend darauf entwickeln die einzelnen Abteilungen und Teams ihre eigenen OKRs, die auf die Unternehmensziele einzahlen. Dieser Mix aus Top-down-Vorgabe und Bottom-up-Gestaltung sorgt dafür, dass alle an einem Strang ziehen und die Mitarbeiter zugleich Verantwortung für ihre eigenen Beiträge übernehmen. Am Ende des Zyklus werden die Ergebnisse analysiert und die Erkenntnisse fließen in die Planung des nächsten Quartals ein. Diese iterative Vorgehensweise erlaubt es Unternehmen, flexibel auf Marktveränderungen oder neue Prioritäten zu reagieren, anstatt starr an einem einmal gefassten Plan festzuhalten.
Transparenz als Motor, Ehrgeiz als Treibstoff
Ein zentrales Merkmal des Systems ist die radikale Transparenz. Die OKRs aller Ebenen, vom Geschäftsführer bis zum einzelnen Team, sind für jeden im Unternehmen einsehbar. Diese Offenheit fördert das Verständnis für die Zusammenhänge und zeigt auf, wie die Arbeit jedes Einzelnen zum großen Ganzen beiträgt. Sie verbessert die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, weil Abhängigkeiten und gemeinsame Ziele klar ersichtlich werden. Außerdem ist es wichtig zu verstehen, dass OKRs ein Werkzeug zur Steuerung und Fokussierung sind, aber kein Instrument zur Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern. Die Ziele sollten bewusst ambitioniert gesetzt werden. Es gilt die Faustregel, dass das Erreichen von 70 Prozent der Key Results bereits als Erfolg gewertet wird. Würden OKRs direkt an Boni oder Gehaltserhöhungen gekoppelt, bestünde die Gefahr, dass Teams nur noch leicht erreichbare Ziele setzen, um auf Nummer sicher zu gehen. Der eigentliche Zweck, nämlich das Streben nach ehrgeizigen Fortschritten, ginge verloren. Am Ende liegt der wahre Wert der Methode in der verbesserten Kommunikation und dem gemeinsamen Fokus, der entsteht, wenn eine gesamte Organisation ihre Kräfte auf wenige, aber dafür die richtigen Ziele bündelt.
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