TikTok-Videos mit Millionenreichweite sind längst nicht mehr nur Marketinginstrument – sie verändern, wie Unternehmen Talente gewinnen. „Unsere Employer Brand fühlt sich wie Content an, nicht wie Werbung“, sagt Jonas Patrikalos, People & Organization Lead bei der Agentur Globalist. Patrikalos ist Experte im Bereich Recruiting, Kultur und Employer Branding – und verbindet diese Felder eng mit der Content-Creation. Im Gespräch geht es um Alltagsgeschichten statt Hochglanz, um den Grat zwischen Mut und Verantwortung – und darum, warum Bewerber:innen heute erst auf Social Media, dann ins Vorstellungsgespräch kommen.
Hallo Jonas, als People & Organization Lead bei Globalist verantwortest du den HR-Bereich. Was genau umfasst deine Rolle und wie bist du in diesen Bereicrh gekommen?
Ich bin bei Globalist für den gesamten HR-Bereich verantwortlich – also für Recruiting, Personalentwicklung, Employer Branding und Organisationsentwicklung. Eine wichtige Schnittstelle ist für mich immer die Verbindung zwischen klassischem HR und Kommunikation. Die Kultur, die wir schaffen, soll nicht nur nach innen wirken, sondern auch nach außen sichtbar werden.
Mein Weg hierher war ziemlich organisch. Ich habe mich schon früh für Pädagogik interessiert, wollte aber nicht ins klassische Schulsystem. Ich bin fast von Anfang an bei Globalist dabei und als wir schnell wuchsen war klar: wir brauchen jemanden, der HR und Kultur von innen heraus aufbaut und unsere DNA kennt. Also habe ich mich weiter darauf spezialisiert, Personal- und Organisationsentwicklung studiert, externe Praktika gemacht und schließlich die Rolle übernommen.
Eure Agentur ist mit einem TikTok viral gegangen und hat in kurzer Zeit Millionen Reichweite erzielt. Wann war für euch klar: Das betrifft nicht nur Marketing, sondern auch HR?
Von Anfang an war uns klar, dass das nicht getrennt gedacht werden kann. Als wir das Content-Team aufgebaut haben, war es für uns selbstverständlich, dass HR mit an den Tisch muss. Bewerber:innen sollen keine anonyme Agentur und ihre Leistungen sehen, sondern die Menschen dahinter kennenlernen. Unsere Kultur ist einer unserer größten Benefits und die wollen wir auch nach außen tragen.
Welche konkreten Effekte habt ihr im Recruiting oder Employer Branding durch diese Aufmerksamkeitswelle erlebt?
Social Media ist inzwischen in fast jedem Bewerbungsprozess ein wichtiger Touchpoint. Kandidat:innen schauen sich unsere Kanäle an, bevor sie sich bewerben oder ins Gespräch gehen. Das senkt die Einstiegshürde enorm, da viele die Gesichter aus dem Team bereits kennen und sich weniger fremd fühlen.
Außerdem greifen Bewerber:innen unsere Inhalte im Anschreiben oder im Interview aktiv auf. Das zeigt uns, wie wichtig kontinuierliche Präsenz ist.
Viele Unternehmen fahren einmalige Employer-Branding-Kampagnen. Ihr setzt auf Content aus dem Alltag. Was ist für euch der entscheidende Unterschied?
Kampagnen haben ein Start- und ein Enddatum, Kultur passiert aber jeden Tag. Es braucht keine Hochglanzproduktionen, sondern Storytelling aus dem Alltag. Wer arbeitet da? Wie ticken die Leute? Das sind die Fragen, die Bewerber:innen haben. Authentizität schafft mehr Vertrauen als jede perfekt inszenierte Kampagne.
Du schreibst bei LinkedIn selbst: „Unsere Employer Brand fühlt sich wie Content an, nicht wie Werbung.“ Woran erkennt ihr, dass ein Beitrag wirklich Employer Branding ist – und nicht klassische Unternehmenskommunikation?
Das Wichtigste ist für uns, dass unsere Inhalte nicht wie Anzeigen wirken. Wir verzichten bewusst auf Call-to-Actions und erzählen lieber Geschichten, die von sich aus spannend sind. Es entstehen auch Formate direkt aus der Community, weil wir auf Kommentare reagieren, so wie das Länder-raten-Video. Oder wir bauen kleine Running Gags auf, die irgendwann Meme-Charakter haben – wie unser Kollege Maik. Unser Maßstab ist immer: Würde ich das auch als neutraler User gerne sehen? Wenn ja, ist es guter Content – und damit gutes Employer Branding.
Gibt es bestimmte Prinzipien oder Grenzen, die ihr euch für authentischen Content gesetzt habt? Wie viel Freiheit gebt ihr den Social Media Manager:innen?
Wir geben sehr viel Freiheit und setzen auf Vertrauen, dass zahlt sich aus. Authentizität ist unser wichtigstes Prinzip und solange der Content zu unserer Kultur passt und nicht brandgefährdend ist, lassen wir viel Freiraum.
Ein großes Kompliment möchte ich an dieser Stelle an unser Social-Team machen: Jannik und Almina sind der Motor hinter all den Ideen. Sie sind kreativ, zuverlässig und trauen sich, neue Sachen auszuprobieren. Ohne sie wäre das alles gar nicht möglich.
Ihr habt HR und Content-Creation eng verzahnt. Welche Vorteile entstehen dadurch für beide Seiten?
Wir haben gemeinsame Ziele. Employer Branding darf nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern muss direkt auf Recruiting und Kultur einzahlen. Und das Content-Team kann nur dann zielgerichtet arbeiten, wenn es weiß, welche Rollen gerade gesucht werden oder welche Werte wir besonders betonen wollen.
Am Ende profitieren beide Seiten: HR bekommt Sichtbarkeit und Reichweite und das Content-Team hat echte Geschichten und Gesichter, mit denen es arbeiten kann. So entstehen eine Win-Win-Situation und eine Candidate Journey, die konsistent und authentisch ist.
Gab es Momente, wo Prioritäten von HR und Content kollidiert sind – und wie habt ihr das gelöst?
Natürlich denken wir auch manchmal unterschiedlich. HR ist oft etwas vorsichtiger, wenn es um Außenwirkung geht, während das Content-Team gerne mutiger ist. Aber genau dieses Spannungsfeld ist auch wertvoll. Es sorgt dafür, dass wir mutig genug bleiben, aber gleichzeitig verantwortungsvoll mit unserer Marke umgehen.
Welche Reaktionen bekommt ihr von Bewerber:innen auf eure Art von Content? Lässt sich sagen, wie viele Bewerbungen durch das virale TikTok eingegangen sind?
Die Reaktionen sind durchweg positiv. Viele schreiben uns direkt in DMs oder sprechen es im Bewerbungsgespräch an. Oft hört man: “Hey, da möchte ich arbeiten!” Das ist natürlich das schönste Kompliment.
Das virale TikTok hat natürlich für zusätzliche Bewerbungen gesorgt, aber viel wichtiger ist für uns die Qualität. Einstellungen sind der beste Indikator und was wir jetzt schon sehen: Social Media ist fast für alle ein fester Touchpoint, egal wann im Bewerbungsprozess.
Welche Tipps gibst du HR-Teams, die Social Media stärker nutzen möchten, aber noch am Anfang stehen?
Ganz klar: Einfach anfangen! Man braucht kein großes Budget, sondern nur Mitarbeitende, die Lust haben, ein Handy und ein bisschen Kreativität. Lieber authentisch und unperfekt posten, als monatelang auf die perfekte Kampagne hinarbeiten.
Wichtig ist es auch, regelmäßig dran zu bleiben – bei uns ist aktuell ein Video pro Tag der Standard. Und: auf allen Plattformen posten, um die Reichweite zu erhöhen. Ebenso wichtig ist es, auf die Community zu hören, Feedback aufzunehmen und immer wieder anzupassen.
Last but not least: HR darf nicht im Silo arbeiten. Nur wenn HR und Content wirklich zusammenarbeiten, entsteht eine Employer Brand, die authentisch wirkt.
Wo siehst du in den nächsten Monaten/Jahren die stärksten Chancen zur Nutzung von Social Media für die Employer Brand?
Ich denke, dass Storytelling über Social Media noch stärker werden wird, wie zum Beispiel durch neue Funktionen wie die zusammenhängenden Reels auf Instagram. Dadurch lassen sich Charaktere und Geschichten über längere Zeit aufbauen, fast wie kleine Serien. Das stärkt die Identifikation enorm.
Außerdem wollen wir noch stärker Präsenz bei Events – wie zuletzt bei der OMR – mit unserem digitalen Storytelling verbinden. So wird unsere Kultur an allen Touchpoints erlebbar: ob live vor Ort, oder digital auf TikTok und Instagram.





