Die Arbeitswelt hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Wandel erfahren. Während sich die Situation bei Einstiegspositionen stärker in Richtung Arbeitgebermarkt entwickelt, sieht es bei Fach- und Führungskräften schon ganz anders aus. Hier haben wir es mit einem regelrechten Kandidatenmarkt zu tun. Konnten Arbeitgeber früher zwischen einer Vielzahl an Kandidaten wählen, haben sie es heutzutage aufgrund des Fachkräftemangels schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Stattdessen genießen qualifizierte Bewerber eine große Auswahl. Recruiter müssen daher Strategien entwickeln, um die besten Talente für ihr Unternehmen zu gewinnen. Dazu gehört auch, die Sichtweise der Bewerber zu verstehen. Wir von HR-Insider.de wissen das nur zu gut, weswegen wir hier Best Practices und neue Erkenntnisse teilen möchten.
Der digitale Fußabdruck des Bewerbers: Mehr als nur LinkedIn
Im digitalen Zeitalter achten Kandidaten viel stärker auf ihre Onlinepräsenz als früher. Waren Ablehnungen aufgrund unprofessioneller Profile in der Vergangenheit Einzelfälle, sind sie mittlerweile eine gängige Praxis. Tatsächlich ist es ganz normal, über Plattformen wie LinkedIn oder Xing interessante Kandidaten direkt anzusprechen. Das ist verständlich, da die Onlinepräsenzen in der Regel professionell gestaltet sind und als eine Art digitale Visitenkarte fungieren. Sie enthalten viele wichtige Informationen, die einen ersten Eindruck über den Kandidaten vermitteln. Allerdings geht es keineswegs nur um klassische Jobnetzwerke. Andere Kanäle wie persönliche Websites oder Portfolios sind ebenfalls interessant. Durch sie können HR-Profis einen besseren Überblick über die Persönlichkeit der Bewerber gewinnen. Dabei ist es wichtig, dass sie auf die richtigen Dinge achten. Es geht nicht nur um formale Qualifikationen wie einen Universitätsabschluss oder bestimmte Zertifikate. Gute Kandidaten sollten auch die Soft Skills und Werte mitbringen, die das Unternehmen braucht.
Das Herzstück der Bewerbung: Der moderne Lebenslauf
Trotz Jobnetzwerken, die eine direktere Kommunikation fördern, haben Lebensläufe nicht an Bedeutung verloren. Der Unterschied ist, wie sie gestaltet sind. Moderne Lebensläufe haben oft ein narratives Format, das wie ein Marketinginstrument fungiert und die Geschichte des Bewerbers hervorhebt. Zudem sind sie für ATS (Applicant Tracking Systems/Bewerbermanagementsysteme) optimiert, um von automatisierten Systemen akzeptiert zu werden. Eine entsprechende Optimierung ist heutzutage unumgänglich, da Lebensläufe andernfalls direkt abgelehnt werden. Bei der Prüfung von Bewerbungen sollten HR-Experten zum einen darauf achten, wie stark sich der Bewerber mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hat, zum anderen ist es wichtig, dass sie einen Blick auf die Übereinstimmung der Qualifikationen mit den Anforderungen der jeweiligen Stelle werfen. Da hier wirklich eine Menge falsch gemacht werden kann, sollten sich Bewerber an einem Leitfaden zur Lebenslauf Erstellung orientieren. So können sie die Qualität ihrer Bewerbungsunterlagen immens verbessern. Im Gegensatz zu Lebensläufen verlieren Motivationsschreiben zunehmend an Bedeutung. Sie werden hauptsächlich für Positionen mit hoher Bewerberdichte gefordert.
Der Bewerbungsprozess aus Kandidatensicht: Erwartungen und Frustrationen
Ein wichtiges Instrument, um den Bewerbungsprozess aus Kandidatensicht zu verstehen, ist das Candidate Journey Mapping. Es zeigt, wie Bewerber die Jobsuche erleben – von der Stellenanzeige über das Auswahlverfahren bis hin zum Vorstellungsgespräch und der endgültigen Entscheidung. Dabei haben Bewerber oft mit unklaren Anforderungen, automatisierten Absagen oder langen Wartezeiten zu kämpfen. Solche Dinge können zu Frustration führen und dem Image des Unternehmens schaden. Personalverantwortliche sollten daher versuchen, einen klaren Prozess mit regelmäßigen Updates sicherzustellen. Indem sie transparent kommunizieren, zeigen sie Wertschätzung. Das sorgt wiederum dafür, dass selbst abgelehnte Bewerber einen positiven Eindruck behalten. Möglicherweise empfehlen sie die Stelle sogar an einen geeigneten Kandidaten, der besser zum Unternehmen passt.
Das Vorstellungsgespräch: Authentizität und Passung erkennen
Kandidaten haben in unserer modernen Zeit eine Reihe von Tools, die sie zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche nutzen können. Manche üben dabei so intensiv, dass sie auf praktisch alle potenziellen Fragen vorbereitet sind. Selbst für HR-Experten ist es daher nicht immer einfach, zu sehen, ob Antworten nur einstudiert wurden oder wirklich authentisch wiedergegeben werden. Ein gutes Indiz, um die Echtheit einer Antwort zu erkennen, sind Rückfragen. Je nachdem, wie der Bewerber darauf reagiert, zeigt sich, wie er wirklich denkt. Gerade bei schwierigen Fragen zu Misserfolgen oder dem Umgang mit Herausforderungen ist das extrem wichtig. In jedem Fall muss nach dem Vorstellungsgespräch klar sein, ob der Kandidat ein guter Cultural Fit ist. Nur wenn Erwartungen und Werte übereinstimmen, ist ein langfristig erfolgreiches Arbeitsverhältnis möglich.
Employer Branding und Talent Relationship Management: Aktiv Beziehungen aufbauen
Viele Unternehmen unterschätzen die Bedeutung des Employer Brandings. Allerdings entscheidet die Wahrnehmung der Marke sehr darüber, ob Talente angezogen werden oder sich eher nach einem anderen Unternehmen umschauen. Gerade Fachkräfte nutzen gerne Plattformen wie Kununu oder Glassdoor, um sich einen Überblick über Arbeitsbedingungen, Gehälter und Kultur zu machen. Sollte das Unternehmen diesbezüglich nicht überzeugen, wird es nur schwer qualifizierte Talente anziehen. Hat das Unternehmen hingegen klare Vorzüge, bietet sich die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern an. Dabei sind die eigenen Mitarbeiter unerlässlich. Durch Referral-Programme können sie dazu motiviert werden, qualifizierte Kandidaten aus ihrem Netzwerk zu empfehlen. Wichtig ist auch, dass Personalverantwortliche mit potenziellen Kandidaten in Kontakt bleiben, um bei Bedarf schnell passende Positionen anbieten zu können. CRM-Systeme und Talent-Pools erleichtern die Pflege dieser Beziehungen.
Fazit: HR als Brückenbauer – Verständnis schafft Vertrauen
Wer gute Talente finden will, muss mehr tun, als nur Stellen auszuschreiben und auf passende Bewerber zu warten. Qualifizierte Kandidaten wissen schließlich nur zu gut, dass sie auf dem Arbeitsmarkt begehrt sind. Ihre höheren Ansprüche zeigen sich nicht nur beim Gehalt oder den Arbeitsbedingungen. Es geht auch darum, den Bewerbungsprozess so effizient und transparent wie möglich zu gestalten. Ist der Bewerbungsprozess zu umständlich, wird auch das eigene Unternehmen direkt negativ wahrgenommen. Personalverantwortliche sollten daher stets empathisch und strategisch agieren, um eine positive Candidate Experience zu schaffen. Nur dann haben sie eine realistische Chance, qualifizierte Fachkräfte langfristig an ihr Unternehmen zu binden. Nicht zuletzt ist es wichtig, zukünftige Trends bei der Auswahl von Kandidaten einzubeziehen. Einer dieser Trends ist künstliche Intelligenz. Immer mehr Bewerber nutzen KI, um ihre Bewerbungsunterlagen zu optimieren und passgenaue Fragen bei Vorstellungsgesprächen parat zu haben. Sich darauf vorzubereiten, ist unumgänglich.