Arbeitsmarkt

Arbeitsmarkt 2025: Warum die Arbeitslosigkeit trotz Fachkräftemangels wieder auf dem Vormarsch ist

Lange Zeit gingen die Arbeitslosenzahlen in Deutschland zurück, während die Zahl der Erwerbstätigen anstieg. Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche sorgt nun dafür, dass die Arbeitslosenquote vor allem in Ostdeutschland wieder steigt. Selbst der Fachkräftemangel in vielen Branchen und Berufen kann derzeit wenig daran ändern. 

Ein Gespenst geht wieder um in Deutschland. Das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit. Lange Zeit schien es gebannt. Doch besonders mit der Schieflage und den drohenden Massenentlassungen in der Automobil-, der Chemie- oder der Stahlindustrie hat sich das Blatt zum Negativen gewendet.

Die anhaltende Konjunkturschwäche schlägt zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch. Deutschland hat 2023 und 2024 zwei Jahre mit „Minuswachstum“ hinter sich. Und auch für 2025 rechnet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sogenannten Fünf Wirtschaftsweisen, für Deutschland nur mit einem Miniplus von real 0,4 Prozent.

Nürnberger Arbeitsmarktforscher sehen für 2025 dunkle Wolken aufziehen

Nach einer aktuellen Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) setzt das schwache Wirtschaftswachstum auch den hiesigen Arbeitsmarkt zunehmend unter Druck. Wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage entwickelt sich die Beschäftigung laut IAB merklich gedämpft.

Die Zahl der Erwerbstätigen steigt demnach 2024 nur noch leicht um 170.000 Personen und 2025 um gut 180.000, auf dann 35,12 Millionen Personen, heißt es in der neuen Prognose – ein Höchststand. Das liest sich auf den ersten Blick beruhigend, doch dahinter stecken im überragenden Maße nur Jobs im Öffentlichen Dienst oder als Teilzeit-Modelle.

In der Industrie dagegen – Ford, Volkswagen oder Thyssenkrupp lassen grüßen – zeigen dagegen alle Zeiger nach unten. Die Zahl der Arbeitslosen steigt nach IAB-Prognosen im Jahr 2024 im Jahresschnitt um 170.000 auf 2,78 Millionen und im nächsten Jahr um weitere 61.000 auf 2,84 Millionen.

Nürnberger Arbeitsmarktforscher sehen für 2025 dunkle Wolken aufziehen

Teilzeit und öffentlicher Dienst boomen, während die Industrie Stellen abbaut und die Arbeitslosigkeit zunimmt. © Freepik

Tobias Dietze, HR-Experte und Geschäftsführer der DIEPA GmbH mit Hauptsitz in Magdeburg, ist davon nicht überrascht. Sein Unternehmen vermittelt Voll- und Teilzeitkräfte sowie zeitlich begrenzte Mitarbeitende.

Dietzes Urteil: „Der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen im kommenden Jahr lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Schwächephase mit nur geringem Wachstum. Strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel erhöhen den Anpassungsdruck auf Unternehmen.“

Ostdeutschland ist vom Jobabbau weitaus stärker betroffen

Besonders betroffen sind dabei Unternehmen und Menschen in Ostdeutschland. Tobias Dietze: „Thüringen verzeichnet den höchsten relativen Anstieg der Arbeitslosenzahlen um fünf Prozent sowie den stärksten Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 0,6 Prozent.

Mecklenburg-Vorpommern folgt mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,2 Prozent, während Sachsen einen Zuwachs um 3,6 Prozent bei den Arbeitslosenzahlen erwartet. Auch Bayern ist mit einem ähnlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen und einer Quote von 3,8 Prozent betroffen. Insgesamt zeigt sich, dass Ostdeutschland mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 7,6 Prozent stärker belastet wird als Westdeutschland.“

Wie aber passen die Zahlen und passt diese negative Entwicklung zu den Meldungen über den deutlich sichtbaren Fachkräftemangel in vielen Branchen und Berufen – etwa in der Pflege, in Erziehungsberufen oder auch bei Bus- oder Bahnfahrern?

Nun, Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel schließen sich nicht aus. Grund dafür sind die zunehmenden „Mismatches“, um die Sprache der Ökonomie zu verwenden. Die Qualifikationen der Arbeitslosen oder auch der Menschen, die aktuell ihre Jobs in vielen traditionellen Industrien verlieren, passen schlecht bis gar nicht zu den Anforderungen offener Stellen.

Ein Monteur von Continental, Bosch oder Volkswagen, der seinen Jobs verliert, eignet sich kaum – jedenfalls nicht ohne gründliche Umschulung – als Erzieher, Lehrer oder Pfleger – und auch nicht als Software-Ingenieur, als KI-Experte oder für andere innovative Berufe.

Die Antworten auf die Arbeitsmarkt-Abwärtsspirale lauten: Qualifizierung und Flexibilisierung

Die Antworten auf die Arbeitsmarkt-Abwärtsspirale lauten: Qualifizierung und Flexibilisierung

© Tobias Dietze, die-pa.de

 

Tobias Dietze warnt vor den Folgen dieses Trends und ruft dazu auf, entschlossen gegenzusteuern: „Wir befinden uns in einer Spirale, die nur mit Mut und Fingerspitzengefühl durchbrochen werden kann. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote könnte die wirtschaftliche Lage in Deutschland auf mehreren Ebenen belasten.

Zum einen wird der private Konsum gedämpft, da Arbeitslose weniger Geld zur Verfügung haben, was die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen verringert. Dies kann Unternehmen dazu zwingen, ihre Produktion weiter zu reduzieren, was das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum zusätzlich bremst.

Gleichzeitig steigen die staatlichen Ausgaben für Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, während die Steuereinnahmen sinken – eine Belastung für die öffentlichen Finanzen, die möglicherweise zu höheren Haushaltsdefiziten führt und dringend nötige Investitionen in die deutsche Infrastruktur hemmt.“

Besonders die Entwicklung in Ostdeutschland bereitet Experten Sorgen. Regional betrachtet wird Ostdeutschland stärker betroffen sein als Westdeutschland, was bestehende Ungleichheiten weiter verschärfen könnte. Dietze: „Das wird das politische Gesamtbild weiter beeinflussen und entsprechende Wahlergebnisse produzieren, welche die Situation weiter verschärfen können, wie man am Beispiel von Thüringen sehen kann.“

Doch was könnte konkret helfen, die beschriebene Abwärtsspirale aufzuhalten? Nun, die Antworten liegen auf dem Tisch: entschlossene Qualifizierung sowie eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.

Tobias Dietze: „Ein zentraler Ansatz ist die Förderung von Qualifikationsprogrammen, um die Diskrepanz zwischen den Qualifikationen der Arbeitssuchenden und den Anforderungen offener Stellen zu verringern.“ Gleichzeitig müssen nach seinen Worten die Einstiegshürden für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gesenkt werden, etwa durch vereinfachte Anerkennungsverfahren und bessere Sprachförderung.

Der HR-Experte hat noch einen weiteren beruflichen Herzenswunsch: die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Dazu gehöre die Aufhebung von Beschränkungen in der Zeitarbeit, wie der Wegfall der Höchstüberlassungsdauer und der Einschränkungen beim Einsatz von Fachkräften aus Drittstaaten.

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