Der Fachkräftemangel nimmt zu. Vor diesem Hintergrund steigt die Bedeutung einer gezielten Gewinnung junger Talente.
Die Unternehmen suchen also nach Wegen, um mit der Generation Z in Kontakt zu treten – einer Zielgruppe, die klassische Stellenanzeigen kaum noch wahrnimmt. TikTok rückt dabei immer stärker in den Fokus. Einige Firmen nutzen das Netzwerk bereits seit Längerem für sich. Vielerorts herrscht bei dem Thema jedoch noch große Unsicherheit: Funktioniert das wirklich – oder ist das bloß ein Marketinghype?
Fest steht: TikTok ist heute wesentlich mehr als nur eine Plattform für Tanzvideos. 2024 verzeichnete die App weltweit über 1,5 Milliarden aktive Nutzer. In Deutschland nutzen laut Statista rund 19,5 Millionen Menschen TikTok – ein Großteil davon ist zwischen 16 und 24 Jahren alt. Genau die Zielgruppe also, die für Ausbildungsbetriebe relevant ist.
Zwischen Reichweite und Relevanz: Was wirklich funktioniert
Immer mehr Unternehmen experimentieren mit TikTok. Erfolgreich sind vor allem solche Formate, die authentisch, humorvoll und zielgruppennah gestaltet werden.
Ein Beispiel liefert die Handwerkskammer Düsseldorf, die mit ihrer Kampagne #machwasmitHandwerk Millionen Menschen erreichte. Auch Unternehmen wie Edeka oder die Deutsche Bahn setzen mittlerweile gezielt auf Plattformen wie TikTok, um das Berufsbild zu entstauben und auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Es geht dabei nicht nur um reine Klickzahlen. Entscheidend ist, ob die Inhalte einen echten Eindruck vom Arbeitsalltag vermitteln und sie für die Jugendlichen nachvollziehbar sind. Laut einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung aus dem Jahr 2023 wünschen sich 71 Prozent der befragten Jugendlichen authentische Einblicke in den Berufsalltag – und das möglichst ungefiltert.
Vor diesem Hintergrund integrieren immer mehr Personalabteilungen TikTok und vergleichbare Plattformen fest in ihre HR Strategie, allerdings nicht als Selbstzweck, sondern als ergänzendes Instrument zu den herkömmlichen Recruiting-Maßnahmen.
Ausbildung auf Augenhöhe: Die Erwartungen der Generation Z
Die Generation Z hat klare Vorstellungen davon, wie die Kommunikation mit ihren potenziellen Arbeitgebern ablaufen soll. Transparenz, Schnelligkeit und flache Hierarchien stehen ganz oben auf der Liste. Der erste Eindruck zählt – und dieser entsteht längst nicht mehr auf Messen oder durch Hochglanzbroschüren. Er entsteht immer häufiger im digitalen Raum.
Eine Studie, der Bertelsmann Stiftung aus 2023 zeigt: 68 Prozent der Jugendlichen würden sich eher bei einem Unternehmen bewerben, wenn sie zuvor über Social Media einen sympathischen Eindruck von der Firma gewonnen haben.
TikTok spielt in diesem Kontext eine besondere Rolle, weil es keine Hochglanz-PR verlangt, sondern auf spontane, ehrliche Einblicke setzt. Das bedeutet gleichzeitig: Unternehmen müssen bereit sein, die Kontrolle abzugeben – und der Azubigeneration Raum lassen, um ihre eigenen Inhalte zu gestalten.
Ein Beispiel hierfür stellt die Kampagne „Azubi Takeover“ der Techniker Krankenkasse dar, bei der Auszubildende für mehrere Tage den TikTok-Kanal übernehmen durften. Die Resonanz: überdurchschnittlich hoch – sowohl in Form von Kommentaren als auch von eingehenden Bewerbungen.
Risiken und Grenzen: Was Unternehmen beachten sollten
Trotz aller Chancen bleibt TikTok kein Allheilmittel. Veröffentlicht ein Unternehmen Inhalte ohne klares Konzept, riskiert es, schnell unglaubwürdig zu wirken – oder die Zielgruppe komplett zu verfehlen.
Hinzu kommen Fragen des Datenschutzes, insbesondere bei der Einbindung von Mitarbeitenden in der Ausbildung. Rechtliche Aspekte und klare Freigabeprozesse sollten daher von Beginn an mitgedacht werden.
Zudem ist die Plattform nicht isoliert zu betrachten. TikTok ist dann erfolgreich, wenn es Teil einer übergreifenden Kommunikationsstrategie ist – mit Anbindung an Karriereseiten, Ausbildungsportale oder interne Bewerbungssysteme. Und: Wer auf TikTok aktiv ist, muss sich auf kurzfristige Trends einstellen können. Ein einzelnes erfolgreiches Video bedeutet nicht automatisch auch nachhaltigen Erfolg in der Zukunft.
Authentizität schlägt Perfektion
TikTok bietet also reale Chancen für das Azubi-Recruiting – vorausgesetzt, die Plattform wird sinnvoll eingesetzt. Erfolgsentscheidend sind statt Hochglanzvideos authentische Einblicke, Vertrauen in die eigene Belegschaft und ein klares Ziel: Die jungen Menschen dort erreichen, wo sie sich ohnehin aufhalten.
Firmen, die bereit sind, mutig neue Wege zu gehen und auch mal Fehler zuzulassen, schaffen genau das, was die klassischen Recruiting-Kanäle heute oft nicht mehr leisten können: echte Nähe zu ihren Bewerbern.